Weihnachtsgeschäft trotz Lieferengpässen: Was Handelsunternehmen jetzt tun können

Frank Hartmann, Senior Firmenkundenbetreuer in Frankfurt und Experte für Handelsunternehmen

Zum Jahresendspurt boomt die Nachfrage im deutschen Mittelstand. Vor allem in der Handelsbranche sorgt die vorweihnachtliche Kauflaune für gut gefüllte Auftragsbücher. Eigentlich ein Grund zur Freude, aber: Materialengpässe und Probleme mit den Lieferketten hemmen die Erholung der Firmen nach der Pandemie. Das zeigt die aktuelle Sonderbefragung der DZ BANK im Mittelstand.

Frank Hartmann ist Senior Firmenkundenbetreuer in Frankfurt und Experte für Handelsunternehmen. Er arbeitet schon seit über 20 Jahren bei der DZ BANK. Wir haben bei Ihm nachgefragt: Wie geht es unseren Kunden aus diesem Segment – und wie gehen sie mit der Rohstoffkrise um?

 

Herr Hartmann, unserer Sonderbefragung zufolge können 70 Prozent der mittelständischen Einzelhändler ihre Aufträge nur noch zeitverzögert abarbeiten, weil es Probleme mit den Lieferketten gibt. Fast jeder zweite muss Aufträge sogar ganz absagen. Müssen wir uns um unsere Weihnachtseinkäufe Sorgen machen?

Wie stark sich die Lieferengpässe auf die Situation in den Geschäften auswirken, hängt vom jeweiligen Handelssegment ab. Ich betreue einige Baumarktketten. Dort spürt man die Auswirkungen bisher kaum, da sich viele Kunden in diesem Jahr frühzeitig mit Waren eingedeckt haben. Die Wintermonate sind ohnehin nicht sehr attraktiv für die Baumärkte – hier ist es entscheidender, wie die Lage im Frühjahr ist, wenn die Menschen wieder verstärkt anfangen zu werkeln.

Anders sieht es beispielsweise im Buchhandel oder in der Textilindustrie aus. Dort ist das Weihnachtsgeschäft traditionell die Hauptsaison. Die Modeunternehmen zum Beispiel haben meist recht kurze Lieferzyklen, sie kaufen teilweise monatlich neue Kollektionen ein. Viele Firmen beziehen ihre Waren aus fernöstlichen Ländern – also denjenigen Regionen, bei denen es etwa durch die Schließung von Häfen derzeit zu besonders vielen Ausfällen in den Lieferketten kommt. Da kann es durchaus zu der ein oder anderen Lücke im Regal kommen. Aber auch hier erwarte ich nicht, dass die Läden reihenweise leer bleiben. Also: Kein Grund zur Panik!

 

Viele Händler haben stark unter den Lockdowns während Pandemie gelitten. Wie kritisch ist die aktuelle Lieferkettenkrise für die Unternehmen?

Die einzelnen Handelssegmente sind sicherlich unterschiedlich stark betroffen. Außerdem zeichnen sich verschiedene Tendenzen ab zwischen den jeweiligen Marktführern und eher schwächer positionierten Unternehmen. Bei vielen unserer gut positionierten größeren Kunden beobachte ich, dass der Geschäftsbetrieb stabil bleibt – auch, weil sie meist mehr liquide Reserven haben. Für sie ist es mehrheitlich verschmerzbar, wenn Waren oder Transportpreise vorübergehend teurer werden. Viele werden sich auch zeitnah von den KfW-Coronahilfen loseisen können, die sie während der Lockdowns beantragen mussten.

Von vielen schwächer positionierten Unternehmen höre ich leider häufig, dass sie wohl noch Jahre brauchen werden, um ihre Sonderkredite zurückzuzahlen. Für sie wäre es natürlich besonders fatal, sollte es bald einen erneuten Lockdown geben. Auch deshalb ist davon auszugehen, dass sich der Trend zur Konsolidierung des Marktes weiter verstärken wird.

Spannend ist aber auch, dass sich besonders kreative kleinere Mittelständler schneller an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen anpassen können und ihre schwächere Marktmacht mit innovativen Ideen ausgleichen.

 

Was können die Handelsunternehmen jetzt tun, um ihr Geschäft zu stabilisieren oder gar zu wachsen? Und wie können wir sie als Bank dabei unterstützen?

Es gibt drei Dinge, die die Händler jetzt tun können. Erstens: frühzeitig planen. Viele unserer Kunden haben in weiser Voraussicht ihre Lager in den letzten Monaten gut gefüllt und können heute auf diese Bestände zurückgreifen. Wir beobachten sogar, dass viele ihre Lagerkapazitäten ausbauen, um auch in Zukunft besser für solche Krisen gewappnet zu sein.

Zweitens: Die eigenen Preise anpassen. Schon heute sind viele Händler gezwungen, ihre Mehrkosten weiterzugeben, damit ihre Margen nicht zu sehr unter Druck geraten und sich das Geschäft weiter lohnt. So wurden zum Beispiel die Verbraucherpreise für Holz, Baustoffe oder Lebensmittel in den vergangenen Monaten deutlich angezogen.

Und drittens: investieren. Das klingt paradox in Zeiten einer Krise, aber: Wer heute gut im E-Commerce aufgestellt ist, hat einen entscheidenden Vorteil. Viele Menschen haben während der Pandemie den Onlinehandel sehr zu schätzen gelernt und werden auch in Zukunft nicht auf innovative Konzepte wie Click & Collect verzichten wollen.

Dafür brauchen die Händler natürlich zusätzliche Gelder. Einige Kunden erhöhen deshalb bereits ihre Betriebsmittelkredite bei uns. Darüber hinaus treten wir mit unseren Kunden wieder in einen intensiveren Austausch, um gemeinsam zu überlegen: Welche Investitionsstrategie ist jetzt sinnvoll? Und was kann das Unternehmen tun, damit das Geschäftsmodell langfristig tragbar bleibt?