27.09.2022

Freie Fahrt für Wind- und Solarkraft? Wie der Ausbau der Erneuerbaren jetzt vorankommt

Daniel Hölder, Head of Global Policy and Markets bei der BayWa r.e.

Der Weg aus der Abhängigkeit von fossiler Energie führt über die Erneuerbaren – dies wurde mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine umso deutlicher. Anfang Juli hat der Bundestag daher mehrere Gesetzesvorlagen des sogenannten „Osterpakets“ zum Ausbau von Wind- und Solarkraft und zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes verabschiedet. Unter anderem gibt sich die Bundesrepublik damit auch neue ambitioniertere Ziele: So soll der Anteil der Erneuerbaren (beim Strom) bis 2030 auf 80 Prozent steigen. In dem Zuge werden nun auch alle Bundesländer verpflichtet, zwei Prozent der Fläche für Windenergie an Land auszuweisen. Außerdem sollen Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden – etwa durch bundesweit einheitliche Standards bei der Prüfung des Artenschutzes im Zusammenhang mit Windkraftanlagen. Doch was bringen die auf den Weg gebrachten Initiativen und Vorgaben tatsächlich? Können die gesetzten Ziele erreicht werden?

Planungs- und Genehmigungsverfahren sind immer noch zu langsam

Daniel Hölder ist Head of Global Policy and Markets beim Erneuerbare-Energien-Unternehmen BayWa r.e., einem Tochterunternehmen der BayWa AG und langjährigem Kunden der DZ BANK. Er begrüßt die Ziele: „Es wird höchste Zeit, dass wir uns diese Ziele setzen. Auch mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen ist das absolut notwendig.“ Mit dem Osterpaket habe die Bundesregierung auch bereits einiges angestoßen, um der Erreichung der Ziele näherzukommen. Gleichwohl sieht der Experte auch weiterhin Hürden. „Das große Thema sind vor allem die Genehmigungen und die Zurverfügungstellung von Flächen bei großen Wind- und auch Solarparks. Da gibt es weiterhin einen Engpass – auch wenn es im Rahmen des Osterpaketes Verbesserungen gab“, so Hölder. Das Problem: Im Osterpaket wurde zwar festgeschrieben, dass die Bundesländer Flächen für Windkraftanlagen ausweisen müssen. Dafür haben sie allerdings bis 2028 Zeit. Für das 2030er-Ziel bringt das somit wenig. Das müsse schneller gehen, sagt Hölder. Auch mit Blick auf das Planungs- und Genehmigungsrecht gäbe es noch zu viele Hürden, die das ganze Verfahren zu komplex machen. „Artenschutz ist wichtig, aber wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren auch kurzfristig beschleunigen wollen, müssen Planung und Genehmigung einfacher und schneller werden.“

Auch Alexandra Pohl, die in der Strukturierten Finanzierung der DZ BANK die Gruppe Erneuerbare Energien Deutschland leitet, sieht mit dem Osterpaket einen ersten Schritt gemacht. „Wir nehmen aktuell schon wahr, dass neue Flächen ausgewiesen werden. Auch die Genehmigungsbehörden agieren an der ein oder anderen Stelle etwas pragmatischer“, erklärt sie, stimmt aber auch Hölder zu: „Die Ziele sind definitiv sehr ambitioniert. Die geplanten Maßnahmen helfen, werden aber vermutlich noch nicht ausreichen, um sie bis 2030 zu erreichen.“

Landwirtschaft und Photovoltaik zusammenbringen

Eine Chance, um mehr Flächen für den Ausbau der Erneuerbaren zu gewinnen, sieht der Experte der BayWa r.e. in der Doppelnutzung. Aktuell werde die Nutzung von Flächen für die Landwirtschaft noch in Konkurrenz zu den Solarparks gesehen. Man könne aber durchaus beides stärker kombinieren – das Stichwort in diesem Zusammenhang ist „Agri-PV“. Landwirte können ihre Flächen doppelt nutzen und Kulturen dadurch besser schützen. Auch Stilllegungsflächen könnten genutzt werden, wenn es dafür den gesetzlichen Rahmen gäbe. Dabei handelt es sich um temporär aus der wirtschaftlichen Nutzung entnommene Flächen. Sie dienen Tieren als Rückzugsraum sowie Nahrungsquelle und erfüllen für viele Tierarten eine wichtige Funktion als Brut- bzw. Nistplatz. Die parallele Nutzung durch gut geplante, biodiversitätsfördernde Solarparks stünde dem nicht entgegen. Ein anderes innovatives Konzept ist „Floating-PV“ – also schwimmende Photovoltaikanlagen. Ein solches Projekt der BayWa r.e. hatte die DZ BANK im vergangenen Jahr in den Niederlanden mitfinanziert. Mit dem schwimmenden Solarpark auf einem Baggersee in der Nähe des Dorfes Kloosterhaar in den Niederlanden wurde eine gewerblich genutzte Wasserfläche zusätzlich auch für eine „grüne“ Energieerzeugung erschlossen. „Es gibt zahlreiche Win-win-Effekte, die wir auch ausschöpfen sollten. Denn allein die Nutzung von Häuserdächern wird für den Ausbau der Erneuerbaren nicht reichen.“, sagt Hölder. In Deutschland hat BayWa r.e. im Mai seine erste und die bisher größte Floating-PV-Anlage der Bundesrepublik in Haltern am See in Nordrhein-Westfalen eingeweiht. Leider schränken die Maßnahmen des Osterpakets das Potenzial von Floating-PV in Deutschland massiv ein, so der Experte.

Alexandra Pohl, Leiterin Erneuerbare Energien Deutschland der DZ BANK

Das Projektentwicklungsgeschäft bei großen Wind- & Solarkraftprojekten hat bereits in den vergangenen Jahren stark angezogen. Einen zusätzlichen Schub durch die Energiekrise sieht die BayWa r.e. aktuell noch nicht. „Gerade bei Großprojekten ist der Zeithorizont meist sehr viel langfristiger – das geht dann nicht so schnell mit der Planung und Beantragung der Projekte. Wir nehmen aber in den vergangenen Monaten durchaus eine Änderung des ‚Mindsets‘ vor Ort wahr“, erklärt Daniel Hölder. „Dass wir Wind- und Solarkraft brauchen, wird nicht mehr in Frage gestellt.“ Bei uns in der DZ BANK habe sich der Aufschwung bei dem Geschäft mit der Projektfinanzierung von Erneuerbaren ebenfalls bereits seit 2021 abgezeichnet, so Alexandra Pohl. „Wir haben 2021 in Deutschland insgesamt 40 Projekte begleitet – in der ersten Jahreshälfte 2022 waren es bereits 30. Das ist ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zu den Vorjahren.“

Fachkräftemangel und Lieferengpässe als Hemmschuh für den Ausbau

Akzeptanz und politischer Wille scheinen somit zuletzt zugenommen zu haben. Also freie Fahrt für Wind- und Solarkraft? Nicht ganz – denn fehlende Rohstoffe, Kapazitäten und Fachkräfte könnten den neuen Schwung ausbremsen. Vor allem die Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen stellen ein Problem dar. „Bei Komponenten für Photovoltaikanlagen hatten wir schon während der Pandemie große Lieferverzögerungen. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine – aber auch mit der Weiterführung der Null-Covid-Strategie in China – spitzt sich die Situation in den Lieferketten weiter zu. Fehlende Grundstoffe aus Russland beispielsweise und die Halbleiterkrise machen sich jetzt auch zunehmend bei anderen Technologien bemerkbar“, sagt Daniel Hölder. Und auch der Fachkräftemangel dürfte die Branche in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Abgesehen davon, dass Installateure am Arbeitsmarkt ohnehin stark gefragt sind, müsse bei ihnen auch das nötige Know-how zu den Erneuerbaren noch breitflächiger aufgebaut werden. Bei der BayWa r.e. selbst werden vor allem Projektentwickler und IT-Experten aktuell händeringend gesucht.

Doch ungeachtet der Herausforderungen und Hürden, die es in den nächsten Jahren zu überwinden gilt, ist Hölder optimistisch: „Die vergangenen Monate haben der gesellschaftlichen Debatte zudem noch mal einen echten Schub gegeben. Wir sind extrem motiviert, weil wir wissen, dass wir das Richtige tun. Wir setzen unseren ganzen Fokus darauf, schneller und besser zu werden.“ Auch Alexandra Pohl sieht die aktuelle Situation als Chance: „In der Finanzierung von Projekten für die Energiewende liegt großes Geschäftspotenzial für die DZ BANK. Denn der Bau von Wind- und Solarenergieanlagen wird auch in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele spielen.“